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Prinzip Ganztagsschule - Fluch oder Segen für das Schulsystem?

Geschrieben von Sebastian Speer | 20. September 2024 16:00:00 Z

Das Prinzip der Ganztagsschule bietet eine Menge Vorteile, wird aber auch von vielen kritisch betrachtet. Was steckt dahinter und was kann das deutsche Schulsystem von anderen Ländern lernen? 

 

Inhalt

 

Einleitung

Was gibt es besseres, wenn am frühen Nachmittag zum letzten Mal für heute die Schulklingel läutet? Hefter, Bücher und Stifte verschwinden im Rucksack. Die Gedanken und Gesprächsthemen wechseln von Algebra oder Grammatik zu TV-Serien oder aktuellen YouTube Videos. Nun beginnt der beste Teil des Tages: Chillen mit Freunden, Zeit für Hobbies oder einfach ne Runde zocken. 

Was für uns ganz normal und unproblematisch wirkt, ist für Kinder und Jugendliche in Japan, Südkorea oder den USA komplettes Neuland. Nicht nur dort! Auch in Europa gibt es Länder, bei denen die Schule anders läuft. Sogar in Deutschland kommt das vor.

Die Rede ist vom Prinzip Ganztagsschule. Davon hast du bestimmt schon gehört. Und vielleicht plagt dich deswegen die gleiche Frage wie uns: Was genau ist denn eine Ganztagsschule? Und hat das Ganze überhaupt Vorteile?

 

Das Prinzip Ganztagsschule

Was macht also eine Ganztagsschule aus? 

Der Schulalltag endet hier meist gegen 15 oder 16 Uhr. Dabei zählen auch die Freizeitaktivitäten dazu. Ein Tag besteht also aus Unterricht, Pausen und Freizeitaktivitäten, die allesamt von der Schule organisiert werden und meistens auf dem Schulgelände stattfinden. Dabei wird ein ausgewogener Mix aus Lernen und (aktiver) Entspannung geboten. Eine gute Strukturierung also, bei der Schüler auch die Selbstorganisation lernen. Das ermöglicht individuelle Förderung, beispielsweise durch Hausaufgabenbetreuung. Es wird auch Mittagessen angeboten. Zu den Freizeitangeboten gehören Aktivitäten wie Sport, Musik, Theater und andere kreative Tätigkeiten. Auch das gehört zum Lernen, Soziale Kompetenz und Teamarbeit werden erlernt.       

Auch besteht hier eine Wahlpflicht. Man hat also eine gewisse Entscheidungsfreiheit, muss sich aber für eine Option entscheiden. Durch die verlängerte Zeit vor Ort wird auch das soziale Miteinander der Schüler verbessert.

Das sind die wohl wichtigsten Merkmale einer Ganztagsschule. Ganztagsschule ist aber nicht gleich Ganztagsschule. Bei der gebundenen Ganztagsschule gibt es die Pflicht, an den außerschulischen Aktivitäten teilzunehmen und bis zum Schluss in der Schule zu bleiben.   Bei offenen Ganztagsschulen ist das anders. Sie sind auch als Schulen mit Ganztagsangeboten bekannt. Einfach gesagt ist da die Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten freiwillig und es gibt keine Verpflichtung, nach Unterrichtsschluss in der Schule zu bleiben.  

Die Mischform dieser beiden Varianten nennt sich eine teilgebundene Ganztagsschule. Hier gibt es verpflichtende, aber auch vollkommen freiwillige Aktivitäten.

Um zu überprüfen, ob eine Schule als Ganztagsschule gilt, hat jedes Bundesland einen Kriterienkatalog zur Überprüfung. Den Katalog von Sachsen findest du hier.

 

Vor- und Nachteile

Du weißt jetzt also, was eine Ganztagsschule ist und welche Kriterien wichtig sind, um als solche zu gelten. Jetzt bleibt die Frage: Hat diese Variante einer Schule Vorteile gegenüber einer Schule ohne Ganztagsangebote?

Vorteile

Einer der wichtigsten Vorteile sind die verbesserten Lernbedingungen. Die Schüler haben deutlich mehr Zeit zum Lernen und dank der individuellen Förderung fällt das Lernen leichter. Eltern freuen sich, da ihnen ein großer Teil der Betreuung abgenommen wird. Der Klassenzusammenhalt und das soziale Klima (also ob es ein harmonisches Lernen zusammen ist) verbessern sich. 

Vielen fällt es so auch leichter, Freunde in der Klasse zu finden, da man bei den Freizeitaktivitäten Gleichgesinnte trifft. Und da die Angebote kostenlos sind, können auch Kinder teilnehmen, deren Eltern sich beispielsweise die Mitgliedschaft im Fußballverein nicht leisten können. Durch die klare Struktur wird die Zeit effektiver genutzt. Man hängt sehr selten einfach nur rum. Der Wechsel zwischen Lernen und Erholen ermöglicht außerdem, dass man den Lernphasen konzentriert und ausgeruht ist.

Das klingt ja schonmal ganz gut, oder? Aber natürlich gibt es auch Nachteile bei diesem Modell.

Nachteile

Man hat deutlich weniger Zeit für Aktivitäten außerhalb der Schule, logischerweise! Auch kann man Freizeitaktivitäten weniger flexibel gestalten. Wer zusätzlich einen langen Schulweg hat, kommt manchmal auch erst abends nach Hause und hat dann wenig Zeit für Erholung. Die Zeit mit der Familie wird auch geringer und der Einfluss der Eltern schwindet ebenfalls. Auch wenn die Aktivitäten von der Schule organisiert werden, ist deren Qualität nicht gleichbleibend. Aktivitäten von externen Mitarbeitern (also jene, die normalerweise nicht an Schulen arbeiten) kommen oft nicht so gut an, da diese Mitarbeiter nicht unbedingt für die Arbeit mit Schülern geeignet sind. Und natürlich darf nicht vergessen werden, dass all das hohe Kosten für die Schule bedeutet. Gleichzeitig sind auch nicht alle Schule dafür geeignet, eine Ganztagsschule zu sein. Oft fehlen die passenden Räume oder die Ausstattung.   

Du siehst also: Auch wenn das Prinzip genial klingt, ist die Umsetzung häufig nicht ganz so einfach. Vielleicht kann uns ein kurzer Blick auf andere Länder helfen, um zu lernen wie wir die deutsche Ganztagsschule noch besser machen können.

 

Der internationale Vergleich

Was machen andere Länder beim Thema Ganztagsschule besser? 

In Frankreich gibt es beispielsweise ein einheitliches System: Alle haben dieselben Lehrpläne und auch die Richtlinien für Ganztagsangebote sind strenger. So wird deren Qualität stärker kontrolliert. Schweden legt großen Wert auf eine ausgeglichene, ganzheitliche Erziehung. Das heißt: Soziale Kompetenzen wie Selbstständigkeit und Teamarbeit sind ebenso wichtig wie schulische Lerninhalte. In den USA steht der Aspekt der Chancengleichheit im Fokus. So werden Ganztagsschulen in sozial schwachen Regionen eingerichtet, um den Schülern mehr Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten zu bieten. So sinkt auch die Quote von Schulabbrüchen. Japan setzt auf eine disziplinierte Lernkultur, die in der späteren Arbeitswelt von Vorteil ist. Ebenso wie Südkorea, die ihre Schüler auf hohe akademische Abschlüsse vorbereiten möchten. Im Gegensatz dazu setzen die Niederlande auf vielfältige Angebote aus diversen Sparten (Sport, Kreatives und so weiter) und setzen das Wohlbefinden der Schüler als Ziel. 

 

Fazit

Jedes Land geht das Thema Ganztagsschulen also unterschiedlich an. Und dir ist bestimmt klar, dass es keine perfekte Lösung gibt, um alle möglichen Vorteile zu erreichen. Was aber auffällt, ist, dass sehr viele Länder auf das Prinzip Ganztagsschule setzen. Das kann man von Deutschland aktuell noch nicht behaupten. Nur knapp 30% aller Schüler gehen auf eine Ganztagsschule.

Das sind zu wenige! 

Und mach dir keine Sorgen, dass du dann alles vorgeschrieben bekommst. Dafür gibt es ja das Prinzip der offenen Ganztagsschule, wo dir überlassen wird, ob du an Aktivitäten teilnimmst oder nicht. Dass aber fast 70% aller Kinder diese Entscheidungsfreiheit nicht haben, ist ein Problem! Schule darf nicht nur ein Lernort sein, den man lieber meiden möchte. Es muss auch ein Ort für Erholung und Freizeit sein! Das braucht es, damit sich Schüler nicht nur auf das letzte Stundenklingeln freuen, sondern auf den gesamten Schultag.