Schulfächer sind aus dem Schulalltag nicht wegzudenken. Aber schadet dieses System in Wirklichkeit dem Lernprozess der Schüler?
Dich nervt das bestimmt auch: Du hast 7 Unterrichtsstunden und dabei 5 unterschiedliche Fächer. Und alle haben natürlich verschiedene Themen, die miteinander kaum etwas zu tun haben. In jeder Pause musst du überlegen, was jetzt im nächsten Fach behandelt wird. Dabei vergisst du schon teilweise, was in der vorangegangenen Stunde gelehrt wurde. Man muss kein Profi sein, um zu erkennen: Das geht besser!
In vielen Schulen ist es gängig, die letzte Schulwoche vor den Ferien mit einem Projekt zu verbringen. Bei diesen Projektwochen können die Schüler meist zwischen verschiedenen Themen wählen und arbeiten dann verschiedene Inhalte dazu aus. In meiner eigenen Schulzeit kann ich mich erinnern, dass mir diese Projekte immer deutlich mehr Spaß gemacht haben als der reguläre Unterricht. Bestimmt geht es dir genauso. Aber woran liegt das? Und kann Schule nicht einfach immer aus Projekten bestehen?
Wie attraktiv ein Lerninhalt für Schüler ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen Interesse, Bezug zur Lebensrealität, Beteiligung bei der Auswahl des Themas und vieles mehr. Wenn man diese Faktoren beachtet, wird schnell klar, dass unser klassisches Fächersystem, in dem Sinn eher schlecht abschneidet. Möglicherweise gibt es also Alternativen, die sich da eher anbieten. Aber die Leute, die sich das Fächersystem eingeführten haben, dachten sich bestimmt etwas dabei. Also schauen wir uns mal an, wo das Fächersystem seine Ursprünge hat.
Die ersten Schulfächer gab es bereits in der Antike. Im alten Rom und Griechenland gab es die Sieben freien Künste. Es gab drei sprachliche Künste und vier höhere Fächer. Die Sprache umfasste Grammatik, Rhetorik und Dialektik (beide bedeuten: Sprache wirkungsvoll nutzen, für Diskussionen zum Beispiel).
Zu den höheren Künsten zählten Arithmetik (wie Geometrie Teil der Mathematik) , Geometrie, Musik, Astronomie.
Im Mittelalter dominierte die Religion die Bildung. So wurden Latein und die Lehren der Kirchen in den Mittelpunkt der Bildung gesetzt. An Universitäten gab es zwischen den Sieben freien Künsten nun also auch Fächer wie Theologie, Medizin und Naturwissenschaften.
Die Renaissance brachte die Menschheit in Sachen Aufklärung weit voran, nachdem im Mittelalter nicht wirklich viel in Bezug auf Wissenschaften passierte. Den Naturwissenschaften wurde mehr Platz gemacht und so entstanden Disziplinen wie Physik, Biologie und Chemie.
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ging auch der Aufstieg des Nationalstaatsprinzip einher. Das bedeutete, es mussten Standards für Bildung entwickelt werden. Preußen galt damals als Vorbild für viele Staaten. In Preußen wurden Fächer klar getrennt und Lehrpläne entwickelt. Unter anderem entstanden Fächer wie Mathematik, Geschichte und Geografie.
Im 20. Jahrhundert gewannen, auch durch den Wettstreit um die Erkundung des Weltalls, technische Schulfächer an Bedeutung.
Kurze Zeit später begann auch die Kritik an den vorher noch so gelobten Fächern. Der Vorwurf: Fächer behindern den Blick auf das ganzheitliche Verständnis für die Welt, also das große Ganze.
Hier wurden also zum ersten Mal Gegenstimmen laut, die behaupteten: Fächer sind nicht so sinnvoll wie wir dachten! Aber welche Vorteile bieten sie denn nun überhaupt?
Zum einen bieten Fächer Klarheit und Ordnung. Schüler wissen, welche speziellen Inhalte behandelt werden und wo die Grenzen dieser Fächer liegen. Auch ermöglicht es, sehr tief in die Materie vorzudringen.
Jedes Fach erfordert auch eine eigene, spezielle Denkweise, die auf die Inhalte angepasst ist. Gleiches gilt für Lehrkräfte. Lehrer mit Spezialisierung können die Inhalte und den dazu passenden Unterricht mit sehr hohem Niveau anbieten.
Auch sind bei Leistungskontrollen die Bewertungen einfacher vorzunehmen. Durch die Lehrpläne können Tests und Klassenarbeiten standardisiert werden.
Durch die Begrenzung der Fächer fällt es einfacher, stufenweise Wissen aufzubauen. Es werden Grundlagen geschaffen, aus denen immer komplexere Inhalte erwachsen. Fragen und Problemaufrisse lassen sich einem Fach zuordnen und begrenzen damit auch die möglichen Lösungsansätze.
In der Oberstufe haben Schüler die Möglichkeiten, bestimmte Fächer zusätzlich zu belegen oder abzuwählen. Durch die klare Struktur, dank des Stundenplans, lernen Schüler ihre Zeit zu organisieren, um sich auf die einzelnen Themenbereiche vorzubereiten.
Schulfächer ermöglichen also Strukturierung und packen Lerninhalte in Kategorien. Aber wo finden sich die Nachteile des Prinzips?
Schulfächer verhindern durch die Isolierung, dass Schüler häufig Querverbindungen zwischen Fächern nicht erkennen. Auch wird das gelehrte Wissen rein theoretisch ohne Lebensweltbezug vermittelt. Du hast dich bestimmt bei dem ein oder anderen Thema in Mathe gefragt: Wofür brauche ich das überhaupt?
Übergreifendes Denken, das zwei oder mehrere Fächer verbindet, ist für viele Schüler schwer umsetzbar. Schulunterricht fokussiert sich meist auf wissenschaftliche, faktenbasierte Inhalte. Kreative und soziale Fächer oder Inhalte werden eher vernachlässigt. Das führt zu einer unausgewogenen Bildung.
Durch die starren Lehrpläne der einzelnen Fächer ist es beinahe unmöglich sich an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler anzupassen. Die Lehrpläne sind auch so umfassend, dass kaum Platz für Nachholbedarf oder fächerverbindenden Unterricht ist. Die Überladung des Stundenplans und der ständige Wechsel zwischen den Fächern führen bei vielen zu Stress und Überforderung. Dann wird nur noch oberflächlich gelernt und kaum etwas von den Inhalten bleibt längerfristig hängen.
Auch ist die Annahme, dass alle Schulfächer für die Gegenwart und die Zukunft eine ähnliche Bedeutung haben, ein Trugschluss. Dadurch sinkt auch das Interesse und die Motivation, sich damit zu beschäftigen. Der Blick auf den aktuellen Arbeitsmarkt zeigt auch, dass viele Kompetenzen wie kreative Problemlösung und interdisziplinäres Denken benötigt werden. Diese werden aber eher selten im Fachunterricht behandelt. Auch wird darauf abgezielt, dass alle Kinder in allen Fächern gleich gut ausgebildet werden. Dabei werden individuelle Begabungen außen vor gelassen. Der Traum einer homogenen Lerngruppe ist eine Lüge.
Das System der Schulfächer hat also einige Schwachpunkte, bietet aber auch Vorteile. Vielleicht hilft es, Alternativen zum klassischen Fachunterricht zu finden und miteinander zu kombinieren. So kann ein optimales Lernumfeld geschaffen werden.
Wie bereits angedeutet, bietet es sich an, fächerübergreifend zu arbeiten. So könnte man Mathematik, Physik, Chemie und TC (Technik und Computer) zum großen Thema Naturwissenschaften zusammenfassen. Anstatt von mehreren verschiedenen Stunden, verteilt auf mehrere Tage, könnte man so eine Blockstunde machen, bei der verschiedene Phänomene aus allen Fächern behandelt werden.
Es hilft bestimmt auch gelegentlich eine Abwechslung vom Schulalltag zu schaffen. Einmal alle ein bis zwei Monate eine Projektwoche zu veranstalten, reist die Schüler aus dem Alltagstrott. Hier können sie ihre eigenen Interessen einbringen und außerhalb der Schulfächer neue Sachen lernen.
Im Schulalltag bietet es sich an, aktive Freizeitangebote zu schaffen. Im besten Fall zwischen dem normalen Fachunterricht. So könnte man täglich eine bis anderthalb Stunden einplanen, die Schüler für ihre eigenen Interessen nutzen können. Sie arbeiten da selbstständig oder in Gruppen zu einem Thema, um nach einer gewissen Zeit ein vorzeigbares Ergebnis zu erreichen. Beispielsweise könnte sich eine Gruppe zusammenfinden, ein Theaterstück einstudieren und das bei einem Schulfest aufführen.
Natürlich gibt es bestimmt noch weitere Ideen und Alternativen für den normalen Fachunterricht. Weitere Beispiele würden aber den Rahmen dieses Blogs sprengen. Falls du aber noch coole Ideen hast, dann teile sie gerne in den Kommentaren mit uns.
Das Konzept von Unterrichtsfächern hat einen langen Bestand in der Gesellschaft. Für viele ist es schwer vorstellbar, sich von diesem Prinzip vollständig zu verabschieden. Und vielleicht müssen wir es auch nicht. Wir haben aufgezeigt, welche Vorteile es bietet. Aber wir dürfen uns nicht von Tradition, Schulnoten und Lernergebnissen vollkommen vereinnahmen lassen. Wir müssen im Hinterkopf behalten, für wen Schule gemacht ist. Nämlich für Kinder und Jugendliche.
Und wenn wir der Überzeugung, dass dies oder jenes besser für sie ist, müssen wir ihre Meinung und Interessen respektieren. Denn motivierte und interessierte Lerner sind gute Lerner. Um diesen Zustand zu erreichen, müssen wir nicht viel tun, wir müssen den Lernern einfach mehr zuhören.